Alles was Wohneigentümer wissen müssen — Jeden ersten Donnerstag des Monats.
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Wenn zwei sich streiten, sollte sich zumindest ein Dritter freuen. Beim jahrelangen Hickhack um den Eigenmietwert im Parlament gibt es aber nur Verlierer. Der Eigenmietwert wurde 1934 als «eidgenössische Krisenabgabe» im Notrecht eingeführt, um die damals maroden Bundesfinanzen aufzupolieren, und war ursprünglich auf vier Jahre beschränkt. 1958 wurde der Eigenmietwert ins reguläre Recht übernommen. Seither scheiterte seine Abschaffung mehrmals im Parlament und zweimal in Volksabstimmungen. Gut möglich, dass wir ein drittes Mal darüber abstimmen werden. Vorher müssten sich aber der Nationalrat und der Ständerat auf einen Kompromiss einigen.
Wie wird der Eigenmietwert in Ihrem Kanton berechnet? Lesen Sie unsere Artikelserie:
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Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen oder Naturaleinkommen, das Wohneigentümer*innen in ihrer Steuererklärung ausweisen und mit ihrem steuerbaren Einkommen versteuern müssen. Der Eigenmietwert wird auf Erst- und bewohnten Zweitwohnungen erhoben und orientiert sich an der marktüblichen Miete für ein Haus oder eine Wohnung. Das steuerbare Einkommen steigt, weil der Eigenmietwert hinzugefügt wird. Als Ausgleich dürfen die Wohneigentümer*innen ihre Hypothekarzinsen sowie die Reparatur- und Unterhaltskosten von ihrem steuerbaren Einkommen abziehen.
Die Steuerlogik: Mietfrei wohnen ist ein Vermögensertrag wie Zinsen oder Dividenden und muss als Einkommen versteuert werden. Ausserdem ist das Schweizer Steuersystem solidarisch und will ausgleichen, dass Mieter*innen ihre Wohnkosten nicht vom steuerbaren Einkommen abziehen dürfen.
Das Bundesgericht hat den Eigenmietwert auf mindestens 60 Prozent der marktüblichen Miete festgelegt. Die Kantone dürfen einen höheren Eigenmietwert besteuern. Ausserdem sind sie frei in der Wahl der Schätzmethode für die Immobilienbewertung, die einen grossen Einfluss auf den Eigenmietwert hat. Die meisten Kantone rechnen mit 60 Prozent. Ein Beispiel:
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Seit 2017 spielen sich der Nationalrat und Ständerat den Ball zu. Ihre Beschlüsse und Vorlagen gehen hin und her, weil ihre Positionen weit auseinanderliegen. Wenn der Eigenmietwert abgeschafft wird, müssten konsequenterweise die Abzüge für Hypothekarschuloden vom steuerbaren Vermögen und für Hypothekarzinsen und Liegenschaftenunterhalt vom steuerbaren Einkommen gestrichen oder gekürzt werden. Dagegen wehren sich viele Wohneigentümer*innen. Ausserdem müsste das Steuersystem harmonisiert werden, um die Arbeit der Steuerverwaltung zu vereinfachen, und für Erstwohnsitze und Zweitwohnsitze gelten. Dagegen wehren sich vor allem die Kantone mit einem hohen Zweitwohnungsanteil, die um ihre Steuereinnahmen fürchten. Unter dem Strich geht es um viel Geld: Wenn der Eigenmietwert abgeschafft wird, aber der Unterhalt weiterhin abgezogen werden kann, wie es die bürgerlichen Parteien im Nationalrat vorantreiben, drohen dem Bund Steuerausfälle. Bei einem mittleren Hypothekarzins von 2 Prozent rechnet die Bundesverwaltung mit Steuereinbussen von knapp 1,4 Milliarden Franken pro Jahr. Ein Viertel für den Bund, drei Viertel für die Kantone. Darum hat nur eine haushaltsneutrale Lösung eine Chance, das heisst mit Streichung oder Kürzung der Abzüge.
Am 14. Juni 2023 hat der Nationalrat die Vorlage zum Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung mit 107 zu 75 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. Das ist sein Beschluss im Originalwortlaut:
Dieser Beschluss stimmt weitgehend mit der Position des Ständerates überein. Bis auf zwei wichtige Punkte, wo die zwei Kammern noch weit auseinanderliegen:
Am 19. und 20. Juni 2023 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats den Vorschlag studiert und hält an ihrer Position fest. Sie will den Eigenmietwert nur für Erstwohnungen streichen und den Schuldzinsabzug auf 70 Prozent der steuerbaren Vermögenseinträge limitieren.
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats hat die Verwaltung mit Berechnungen beauftragt. Wahrscheinlich geht es um Steuerausfälle und mögliche Kompensationen für Kantone mit hohem Zweitwohnungsanteil, die im Ständerat stärker vertreten sind als im Nationalrat. Die Kommission wird die Vorlage im August noch einmal beraten, bevor der Ständerat sie voraussichtlich in der Herbstsession (vom 11. bis 29. Sepember 2023) beraten wird. Dann liegt der Ball wieder beim Nationalrat. Falls sich der Nationalrat und Ständerat irgendwann doch noch auf einen Kompromiss einigen können, ist ein Referendum wahrscheinlich. Dann müssten die Schweizer*innen an der Urne über die Abschaffung des Eigenmietwerts abstimmen. Bis es so weit ist, wird es aber noch eine Weile dauern.
Die aktuelle Initiative, den Eigenmietwert abzuschaffen, wurde 2017 lanciert. In Zeiten tiefer Zinsen ist es leichter, auf den tiefen Schuldzinsabzug zu verzichten, wenn dafür kein Eigenmietwert versteuert werden muss. Je höher die Zinsen steigen, desto attraktiver ist das aktuelle Steuersystem für Wohneigentümer*innen. Vielleicht lassen sich die Politiker*innen darum so viel Zeit …
Wie sich ein Systemwechsel auf die Steuersituation auswirkt, hängt hauptsächlich vom Zinsniveau ab. Mit den aktuellen Zinsen (6. Juli 2023: ab 2,34 Prozent für eine Festhypothek mit zehn Jahren Laufzeit) sind die Abzüge für die Schuldzinsen für die meisten Wohneigentümer*innen tiefer als die Steuer auf dem Eigenmietwert. Darum würden sie von einem Systemwechsel profitieren. Bei Hypothekarzinsen zwischen 3 und 3,50 Prozent gleichen sich die Abzüge und Steuer aus. Erst bei höheren Zinsen wäre die Abschaffung des Eigenmietwerts für die Wohneigentümer*innen finanziell ein Nachteil.
Schwerwiegender wäre die Abschaffung der Abzugsmöglichkeiten auf Bundesebene für Energiespar- und Umweltschutzinvestitionen. Hier widersprechen sich die Steuersystematik und die unbestrittene Notwendigkeit, energetische Sanierungen wie eine Fassadendämmung oder eine neue Wärmepumpe als Ersatz für eine alte Ölheizung auch steuerlich zu fördern. Wer sein Haus oder seine Wohnung noch nicht energetisch saniert hat, sollte die politische Diskussion darum genau beobachten und reagieren, falls die Förderung auf Bundesebene eingestellt werden sollte.
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Verschiedene Gruppen würden unterschiedlich stark von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren:
Der Systemwechsel würde die Käufer*innen von Altliegenschaften benachteiligen, weil sie die Kosten für Renovationen oder Sanierungen nicht mehr oder nur teilweise von ihrem steuerbaren Einkommen abziehen könnten. Ausserdem gehen immer mehr Baufachleute davon aus, dass weniger Wohneigentümer*innen in den Liegenschaftenunterhalt investieren würden, sobald der finanzielle Anreiz der Steuerabzüge entfällt. Das könnte die Preisspanne zwischen Neubauten und Altbauten vergrössern.